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Mediendesign zwischen Emotion und Strategie: die fünf kundenorientierten Ziele visueller Gestaltung

Emotionalisierung im Druck

Mediendesign zwischen Emotion und Strategie: die fünf kundenorientierten Ziele visueller Gestaltung

Unternehmens-Kommunikation agiert im Spannungsfeld zwischen einer faktenbasierten Strategie und der Gestaltung einer werblich-emotionalen Botschaft. So ist die Drucksache Ergebnis vorheriger Überlegungen und auch Ergebnis der Wirkmächtigkeit gefühlsauslösender Bildwelten. Das Grafik-Design insgesamt sollte beim Betrachter Sympathien für das Angebot auslösen. Dazu trägt die visuelle Sprache mit ihren Gestaltungselementen und ihrer Typografie bei. Wie funktioniert Emotionalisierung bei Drucksachen?

Im Marketing geht es um Strategien. Aber nicht Strategien überzeugen den potenziellen Kunden sondern die durch Strategien ausgelösten Empfindungen. Wer sich für etwas begeistert, tut dies nicht kühl und rational sondern vor allem emotionsgesteuert. Auch wenn beispielsweise ein Auto technische Spezifikationen hat, die ein Argument sein können, dominiert in der Vorstellungswelt des Kunden das Gefühl, diese Technik zu besitzen und dabei zum Beispiel den Komfort zu nutzen oder die Kraft der Geschwindigkeit zu spüren. Produkte integrieren sich so in das jeweilige Leben und das Lebensgefühl und sind von diesem im besten Fall nicht mehr zu trennen – was der Hintergrund von Markentreue ist.

Gefühl und Sachlichkeit

Medien-Design muss den Ausgleich zwischen der Sachlichkeit der Fakten und der Gefühlswelt der Vision vollziehen. Denn in der Synthese der beiden Aspekte werden Unternehmen und ihre Angebote emotional aufgeladen. Das hat zum Ziel,

  • den Kunden für sich einzunehmen,
  • ihn an das Produkt zu binden und
  • ihn als Kunden zu behalten.

Er soll ein Gefühl für das Unternehmen und sein Angebot entwickeln. So ist beispielsweise ein Design-Laptop nicht einfach nur ein Stück Technik sondern ein Lifestyle-Accessoire. Produkte werden zu Begleitern und Verstärkern eines Lebensgefühls.

Dabei gibt es drei Ansätze für die Gewichtung zwischen Sachaspekten und emotionaler Affinität:

  1. Faktenbasierung: Bei Auftraggebern aus der Investitionsgüterindustrie wiegen beispielsweise technische Spezifikation und Fakten wie Logistik, Verfügbarkeit, Reaktions- und Lieferzeiten schwer. Eine zu emotionale Darstellung könnte aus dieser Perspektive den Blick auf die guten Argumente verstellen.
  2. Imageorientierung: Bei der Konsumgüterindustrie sind Fakten in der Kommunikation zweitrangig – das Image ist die Grundlage. Allerdings ändert sich dieser Ansatz zunehmend durch den gesellschaftlichen Wandel hin zum kritischen Verbraucher.
  3. Imageorientierte Fakten: Dazwischen gibt es bei zahlreichen Branchen eine Mischung aus beidem. Die Autoindustrie arbeitet mit Imagekampagnen, zugleich gibt es in Produktdatenblättern sachorientiertes Zahlenmaterial über Leistungsdaten, Verbrauchswerte oder Umweltaspekte.

Mittel, Themen und Methoden gestalterischer Emotionalisierung

Werbung und Medien-Design sollten Lebendigkeit vermitteln. Dies findet sich zum Beispiel in dynamischen Bildern oder bewegten, expressiven Gestaltungen wieder. Visuelle Spannung hat viel mit der Vermittlung von Empfindungen zu tun. Ansätze für die Emotionalisierung können ein:

Einige Beispiele für die Methoden der Emotionalisierung:

  • Dramatisierung, Übertreibung, Provokation oder Tabubrüche, etwa  in der Jugend-Kommunikation;
  • Verniedlichung mit Kindern und Tieren als Motiven;
  • Überhöhung, wie im Luxusgüter-Segment oft der Fall;
  • Themen-Relevanz: Wichtige Zielgruppen-Themen wie „Sicherheit“, „Altern“ oder „Gesundheit“, mit denen Finanzinstitute, Versicherungen oder die Gesundheitsbranche emotional besetzte „Knöpfe“ drücken.

Eine Auftraggeber-Perspektive ist, dass der Entwurf nicht nur möglichst eigenständig sein soll und sich im Konkurrenzumfeld klar abhebt. Er sollte auch eine Antwort auf die Fragestellungen von Marketingstrategie oder Produktstrategie geben. Zusätzlich müsste er Anforderungen erfüllen wie zum Beispiel:

  • mit dem Corporate Design harmonieren oder
  • aktuell zu einem für die Zielgruppe wichtigen Trend passen.

Ziele des Mediendesigns zwischen Emotion und Strategie

Im Medien-Design sollten fünf marketingorientierte Ziele verwirklicht werden, die im geschilderten Spannungsfeld zwischen Sach- und Emotionalisierungs-Aspekten den Kunden ansprechen, einnehmen und aktivieren. Diese Ziele können als grundlegende Checkliste für die visuelle Kommunikation verstanden werden:

  • Ziel 1: Abstrahierung und Vereinfachung
  • Ziel 2: Eingängigkeit und Konsumierbarkeit
  • Ziel 3: Positionierung und Unternehmensidentität
  • Ziel 4: Visuelle Emotionalisierung und Produktaffinität
  • Ziel 5: Kundenbindung und Kundenbindungs-Aktualisierung

Ziel 1: Abstrahierung und Vereinfachung

Jede Drucksache ist eine Botschaft an einen bestehenden oder potenziellen Kunden. Deshalb wird herausgearbeitet, was visuell zu vermitteln ist. Es geht um eine Fokussierung auf wesentliche Inhalte und deren Gestaltung – was voraussetzt, dass Unwichtiges von Wichtigem getrennt und danach die Reihenfolge der Botschaften und Emotionalisierungs-Elemente festgelegt wird.

  • Was soll der Kunde als erstes wahrnehmen?
  • An welche wesentliche Botschaft soll er sich erinnern?
  • Wie ist diese visuell repräsentiert?
  • Etwa bildlich in einem Hauptmotiv mit Key Visual?

Etwas zu abstrahieren bedeutet, sich im Prozess visueller Vereinfachung all dessen zu entledigen, was verzichtbar ist. Dabei sollte die Abfolge der Botschaften wie eine einfache Geschichte erzählbar sein. Denn mit der Visualisierung geht ein Inhalt einher, der den Blick des Betrachters auf etwas lenkt. So werden in aufeinander aufbauenden Wahrnehmungs-Stufen visuelle Reize gesetzt. Die Funktion des Designers ist auf dieser Ebene als Mischung aus Moderator und Fährtensucher zu verstehen, der den Betrachter mit visuellen Reizen durch die Drucksache leitet.

Ziel 2: Eingängigkeit und Konsumierbarkeit

Vereinfachung führt dazu, dass die angestrebte Zielgruppe unmittelbar und ohne Umwege eine positive Haltung zum Angebot entwickeln kann. Was Zielgruppen-Affinität bewirkt, kann man an der Analogie des Ohrwurms in der Popmusik sehen: Man hört ein Lied und mag es. Die Melodie setzt sich fest und geht nicht mehr aus dem Ohr.

Mit visuellen Reizen, die eingängig wirken, verhält es sich ähnlich: Man sieht etwas und vergisst es nicht mehr. Das ist Teil der Markenbildung, bei der sich Logo und Key-Visual festsetzen und mit der Verbalisierung korrespondieren: Immer dann, wenn man einen geläufigen Werbe-Slogan im Kopf hat und diesen automatisch mit dem Bildzeichen verbindet, vollzieht sich dieser Ablauf und setzt sich die Botschaft fest.

Entscheidend dabei ist die Dosierung bei der Ausrichtung der visuellen und verbalisierten Botschaften: Manchmal ist eine hohe Emotionalisierungs-Dosis wichtig, manchmal ist man mit der Zugkraft der Sachargumente besser bedient. Denn es gibt zahlreiche kommunikative Bereiche, bei denen es nicht um Werbung geht sondern um Information. Allerdings geht es in jeder Form von Kommunikation nie ausschließlich um Sachaspekte. Immer spielen persönliche Präferenzen, Befindlichkeiten und Emotionen eine Rolle und können den Ausschlag für die Kaufentscheidung geben. Das Mischverhältnis zwischen Sachlichem und Emotionalem ist auszutarieren, um eine gute Eingängigkeit der Botschaft zu erreichen.

Dafür ist eine Zielgruppendefinition zweckdienlich. Der Mediendesigner sollte eine Theorie entwickeln, welche visuelle Welt der Zielgruppe geläufig ist. Entweder wird darauf direkt aufgebaut oder der Gestalter durchbricht das Gewohnte, um eine andere Art von Aufmerksamkeit zu erzeugen. Dabei kann ein punkig gestaltetes Plakat für ein Rockkonzert für die entsprechende Zielgruppe ebenso eingängig sein wie ein mittelachsig gesetztes rein typografisches Plakat für ein klassisches Konzert. Wenn der Empfänger die Botschaft versteht, ohne weiter nachzudenken zu müssen, ist das Ziel der Eingängigkeit erreicht.

Ziel 3: Positionierung und Unternehmens-Identität

Einfache Konsumierbarkeit eines visuellen Inhaltes orientiert sich an den Erfordernissen der Zielgruppe. Andererseits ist aber auch die Position des Unternehmens als Absender der zu vermittelnden Botschaften mit entscheidend für deren Nachhaltigkeit. Hier geht es um die Korrespondenz zwischen Unternehmens-Philosophie und von außen empfundenen Image. Dieser Aspekt ist übergeordnet und langfristig zu verstehen und überdauert zum Beispiel die Ansätze der verschiedenen Werbekampagnen.

Wenn also etwa die Bildwelt in einem Prospekt die Langlebigkeit eines Produktes herausstellt, strahlt dies auch insgesamt auf die Zuverlässigkeit und werthaltige Herangehensweise des Unternehmens ab.

Die Positionierung eines Unternehmens beinhaltet nicht nur die eigene Identität sowie die der angebotenen Produkte oder Dienstleistungen. Sie reagiert ebenso auf die Gegebenheiten des Marktes, das heißt, sie formt ihr Erscheinungsbild in Abgrenzung der Aktivitäten der Konkurrenz. Entscheidend ist, Austauschbarkeit zu vermeiden und Eigenständigkeit sowie Unverwechselbarkeit herauszuarbeiten – was einen Prozess voraussetzt, in dem man sich hinterfragt, auf die Probe stellt oder ggf. neu erfindet.

Ziel 4: Visuelle Emotionalisierung und Produktaffinität

Nachdem drei Ziele erreicht sind:

  1. die Konzentration auf das Wichtigste zu Vermittelnde,
  2. die Sicherstellung einer adäquaten Konsumierbarkeit und
  3. die Einbeziehung der Unternehmenswerte,

ist nun eine Verankerung in der Gefühlswelt der Zielgruppe das nächste Ziel.

Eine möglichst empathische Gestaltung ist das Ergebnis absichtsvoller Überlegungen – aber nicht nur. Der Grafik-Designer ist damit vor allem dann erfolgreich, wenn er mental in die Rolle seiner Zielgruppe schlüpfen kann und deren Bedürfnislage nicht nur rational versteht sondern ebenso emotional. Er geht dabei im Idealfall fast wie ein Schauspieler vor, der für das Verhalten der von ihm zu verkörpernden Figur vorher recherchiert. Gelingt dem Designer diese Identifikation mit seiner Zielgruppe, ist es leichter für ihn, das beworbene Produkt oder die Dienstleistung mit seiner Gestaltung positiv aufzuladen.

Das nicht mehr nur informationell Wahrgenommene sondern nun erlebbare Produkt hat einen emotionalen Kontakt zum potenziellen Kunden hergestellt. Diese Affinität kann sich durch einen Kauf direkt auswirken oder ein positives Klima für Entscheidungen in der Zukunft schaffen.

Ziel 5: Kundenbindung und Kundenbindungs-Aktualisierung

An dieser Stelle ist der Interessierte oder potentielle Kunde zum tatsächlichen Kunden geworden. Als Kunde nimmt er weiterhin Konkurrenz-Angebote wahr, ist also – um die Kundenbindung zu stabilisieren – weiter zu kontaktieren. Dabei spielt die Durchgängigkeit visueller Reize in Werbematerialien eine entscheidende Rolle.

Visuelle Kommunikation soll letztlich eine stabile und funktionale Brücke zwischen Marketing-Ausrichtung, Design und Kunden-Empfinden herstellen. Gelingt das, wird aus der Kundenansprache ein vertiefender Kundenkontakt und daraus die Voraussetzung für eine mögliche dauerhafte Kundenbindung.

Die Kundenbindungs-Aktualisierung ist dann das Ziel nachfolgender Botschaften. Das können beispielsweise

  • Mailings
  • Newsletter
  • Rabattaktionen,
  • Testfahrten,
  • Gewinnspiele oder
  • Events

sein. Wichtig ist die Aktualisierung der Botschaften an den Kunden mit einer Kopplung neuer Angebote. Das Medium, in dem die Kette der Botschaften ihre stärkste Zugkraft entwickelt, ist das Visuelle. Es ist gut erinnerbar und deshalb gerade in der aktualisierenden Kommunikation nachhaltig.

©Ralf Wasselowski
Für den fachlichen Input konnten wir wieder Ralf Wasselowski gewinnen. Er betreibt die Agentur Conceptbüro in Essen. ©Ralf Wasselowski