Die Möglichkeiten, etwas im Print-Design oder Medien-Design zu gestalten, scheinen unüberschaubar zahlreich zu sein. Doch es gibt eine einfache Möglichkeit, modernes Grafik-Design zu systematisieren: durch die Gestaltungs-Stile Impressionismus, Expressionismus und Konstruktivismus, die aus der Bildenden Kunst stammen. Sie repräsentieren grundsätzliche Möglichkeiten des Ausdrucks im Medien-Design. Was macht den Impressionismus aus und wo kommt er zum Einsatz?
Elemente des Design-Stils Impressionismus
Bei der Gestaltungs-Stilistik „Impressionismus“ arbeitet ein Gestalter mit Schattierungen, weichen, nuancierten Formen und der Darstellung ihrer Oberflächen-Materialität.
- Impressionismus als Gestaltungsstil kreiert ein gefühlsgesteuertes und die Sinne ansprechendes Design. Im Gegensatz dazu ist der
- Expressionismus emotional-wild und ungezügelt-chaotisch und der
- Konstruktivismus rational-überlegt und aufgeräumt-geometrisch.
Unterschiede der Gestaltungsstile
Hier steht also ein Nuancenreichtum im Impressionismus einer emotionalen Wildheit im Expressionismus gegenüber. Der Konstruktivismus grenzt sich durch die Klarheit und Übersichtlichkeit durchdachter Strenge ab. Der sogenannte „Dekonstruktivismus“ ist dem gegenüber im Design eine Variante, die die Einfachheit des Konstruktivismus aufbricht, indem sie sie collagenhaft oder durch chaotischen Detailreichtum zerstört. Dieser Design-Stilistik des Dekonstruktivismus widmen wir keine eigene Folge in unserer Serie, weil sie sich einerseits von Konstruktivismus ableitet und andererseits in ihrer Wirkung wieder dem Expressionismus verwandt ist. Der Dekonstruktivismus wird deshalb in einer Folge zusammen mit dem Konstruktivismus behandelt.
Gemixte Design-Stilistiken
Gestaltungsstile sind mitunter schwer fassbar, weil sie nur selten in Reinform realisiert sind. So gibt es oft eine konstruktivistische Gestaltung mit klaren Linien und geometrischen Flächen, die aber auch mit impressionistischen Elementen arbeitet. Oder der Impressionismus kann etwa in einer Broschüren-Gestaltung in Form von Illustrationen oder Stilelementen wie hinterlegten Flächen realisiert sein. Gerade Bildelemente bestimmten in ihrer Ausführung oft die Gesamtwirkung der Gestaltung, selbst wenn sie etwa auf einem konstruktivistischen Corporate Design basieren.
Ein Beispiel für ein Stilistik-Crossover
Ein stahlverarbeitendes Unternehmen legt Wert auf eine konstruktivistische Gestaltung. In dieser kommen Linien zum Einsatz, die die Seiten unterteilen, außerdem Farbflächen. Beide Elemente – Linien und Flächen – strukturieren die Seiten klar konstruktivistisch. Aber die flächigen Hinterleger sind nicht einfach technische Raster sondern abgesoftete fotografierte Stahl-Oberflächen, die hier und da sogar Akzente setzen, indem sie funkeln. Die Buchstaben der Kapitelüberschriften wirken wie dreidimensionale Objekte, die Schlagschatten werfen und aus Stahl bestehen. Das heißt: Die Gestaltung ist konzeptionell zwar grundlegend konstruktivistisch aber mit wichtigen impressionistischen Elementen versehen.
Ein impressionistisches Design-Beispiel
Umgekehrt kann eine Gestaltung etwa in einem Flyer für einen Blumenhändler konzeptionell impressionistisch sein. Dort werden beispielsweise fotografierte Blütenblätter, die zarte Schatten werfen und so räumlich wirken, als würden sie tatsächlich auf dem Papier liegen, zwischen den Texten über die Seite verteilt. Die Gestaltung arbeitet partiell mit Verläufen als Text-Hinterlegern, was ebenfalls impressionistisch wirkt. Doch sie enthält Tabellen, die streng geometrisch aufgebaut und mit deutlichen Balken konstruktivistisch gestaltet sind. Gerade im Editorial Design für Zeitungen, Zeitschriften, Broschüren oder Kataloge ist der Stilmix oft Programm. Eine Stilart alleine wäre für ein Periodikum auf die Dauer zu begrenzt und würde den Spielraum der Variationsmöglichkeiten einengen. Also werden Stile gemischt. Meist existiert eine Präferenz, also zum Beispiel „konzeptionell impressionistisch mit einzelnen expressiven Akzenten“.
Fallbeispiel Baumärkte
Baumärkte hatten in ihren Anfangstagen eine vorwiegend männliche Zielgruppe, bei der das Handwerkliche repräsentiert durch Produkte wie Werkzeuge, Maschinen oder Renovierungs- und Baumaterialen im Vordergrund standen. Hier gab es eine traditionell eher konstruktivistische Design-Sprache. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich die Zielgruppenansprache parallel zur Einführung von Lifestyle-Produkten geändert. Das heißt: weg von einer handwerklich-technischen Produktpalette ging es nun auch um Einrichtungs-Gegenstände, Ausstattungs- und Alltags-Accessoires sowie um mehr und modernere Farben und Tapeten. Diese Änderung ging damit einher, dass die Zielgruppe „Frauen“ für die Kaufentscheidungen immer wichtiger geworden war. So wurde aus der konstruktivistischen Gestaltung zum Teil eine impressionistische, die in Bildsprache und Gestaltung Produkte und deren Einsatzzwecke emotionalisierte.
Zielgruppenorientierung der Gestaltung
Welchen Gestaltungsstil oder Gestaltungsstil-Mix man wählt, ist nicht das Ergebnis einer singulären Entscheidung, sondern das eines Diskussions- und Annäherungsprozesses zwischen Auftraggeber und Gestalter. Auch ist eine Design-Stilistik nicht für alle Zeiten festgeschrieben oder in der Gesamtkommunikation durchgehend homogen. So kann z.B. ein Autohersteller, der traditionell eine ältere Zielgruppe konstruktivistisch angesprochen hatte, sich neuen Gegebenheiten anpassen. Er kann mit spezialisierten Mailings andere Zielgruppen ansprechen. Ein Mailing an eine jüngere Zielgruppe mit Einstiegs-Leasing-Angeboten etwa kann locker-expressionistisch gestaltet sein. Ein Mailing an Frauen impressionistischer und damit etwa von der konstruktivistischen Grundlinie abweichen. Das heißt nicht, dass die grundsätzlichen Corporate-Design-Parameter aufgegeben werden. Sie werden nur modifiziert und an eine zielgruppengenaue Ansprache angepasst.
Wo kommt eine impressionistische Gestaltung zum Einsatz?
Es gibt Branchen wie den Garten- und Landschaftsbau, der mit Naturprodukten und Naturelementen Flächen gestaltet Auch andere naturnahe Branchen wie Blumenhändler, Tierärzte oder Zoos könnten in ihrer Design-Sprache das Atmosphärisch-Natürliche betonen. Weitere Branchen, die mit Materialien arbeiten, können die Beschaffenheit dieser Materialien in ihrem Medien-Design nutzen – konkret oder abstrahiert. Solche Branchen können beispielsweise mit Metall oder Energieträgern wie Kohle zu tun haben. Das Metier anderer Branchen kann Wasser sein, oder sie vertreiben Getränke oder stellen chemische Produkte her. Bei Letzteren geht es um Flüssigkeiten, deren Farbe oder Fließeigenschaften Ansätze für eine impressionistische Gestaltung bieten können. Kohle oder Metall haben interessante Oberflächen, die zum Einsatz kommen können. Aber auch die Modebranche lebt von der Beschaffenheit der von ihr verwendeten Stoffe. All dies kann nahelegen, Elemente des Geschäftszwecks visuell in der Grundgestaltung fotografisch oder illustrativ zu nutzen. Der Impressionismus ist übergeordnet eine detailverliebte, eher behutsame Art zu gestalten. Sie kann mit zarten Farben und abgestuften Nuancen wie Verläufen, räumlich wirkendem Schattenwurf oder Spiegelungen in illustrativen Darstellungen arbeiten. Insbesondere sind hier Farbwirkung oder die Lichtwirkung etwa von Fotos wichtig. Dabei ergibt sich am ehesten eine direkte Verwandtschaft zum Kunststil Impressionismus, bei dem der Einfluss des Lichts dominiert.
Fazit: Impressionismus als Denkaufgabe
Abschließend stellt sich die Frage, ob nicht viele Drucksachen jenseits spezifischer Gestaltungsstile gestaltet werden. Gerade Verkaufsprospekte oder Angebots-Flyer sind eher funktionalistisch aufgebaut. Einerseits gibt es auch im Design Notwendigkeiten. Andererseits enthält der Einsatz einer spezifischen Stilistik aber zweierlei: sie ist angewandtes Design aber auch eine Denkaufgabe. Sich über die Positionierung am Markt im Verhältnis zur Konkurrenz Gedanken zu machen und eine visuelle Form dafür zu finden, ist eine Art, mit Design strategisch umzugehen. Dies führt zu einer höheren Zielgruppen-Orientierung. Ob die Zielgruppe jung oder alt, konsumfreundig, konservativ oder für Neues aufgeschlossen ist, kann Auswirkungen auf das visuelle Gestalten haben. Die Einteilung in drei Gestaltungsstile hilft mit, bewusst und auf eine einfach-systematische Weise eine abgrenzende Formensprache zu finden. Dafür ist die Kenntnis der drei Haupt-Gestaltungs-Stilistiken und ihrer Eigenschaften wichtig. Der gestalterische Impressionismus ist jener Design-Stil, der am visuell einfühlsamsten vorgeht. Er hat die Chance, die Zielgruppe stilsicher und mit Feingefühl zu emotionalisieren. Der Design-Impressionismus ist gut mit expressiven Elementen, die das Layout dynamisch auflockern, kombinierbar – oder mit konstruktivistischen Elementen wie Tabellen oder Schaubildern.
Nächste Folge: Design-Stil Konstruktivismus
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