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Denksport Design: Gestaltungsgesetze und Designprinzipien.

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Denksport Design: Gestaltungsgesetze und Designprinzipien.

Ambitioniertes Design, ob für Broschüren, Flyer oder Karten, ist eine Aufgabe, die mit Empfinden und Wahrnehmung zu tun hat – und mit Kreativität und gestalterischer Freiheit. Wie kann man Gestaltungsgesetze in der Druckwelt nutzen, ohne seine Freiheit zu verlieren? Design ist kein Zufallsprodukt, sondern korrespondiert auf der Zielgruppenseite mit menschlicher Wahrnehmung. Wir werfen in unserer vierteiligen Serie „Grundlagen der Gestaltung“ einen Blick in die faszinierende Welt der Wahrnehmungsmodelle, die die Basis guten Designs bilden. Ein weiteres Mal haben wir Ralf Wasselowski, Autor aus Essen, für unsere Wissensreihe gewonnen.

 

Vorgaben: Der Horror für den Designer

Regeln? Prinzipien? Gesetze? Was für den Designer auf den ersten Blick nach Bürokratie und Zwang aussieht, kann das Gestalten gerade umfangreicher Drucksachen erleichtern. Auch das Teamwork oder das Gestalten von Drucksachen-Serien und -Reihen werden dadurch qualitativ verbessert. Zusätzlich bringen Festlegungen von Gestaltungsmerkmalen einen Wiedererkennungswert. Denn dann muss man nicht jedes Mal neu über Prinzipien der Seitenaufteilungen, Weißräume oder das Typografiekonzept  nachdenken. Erst der bewusste Umgang mit Gestaltung formt ein professionelles Corporate Design.

designprinzipien_komplex_einfach ©Ralf Wasselowski
Oben links: Komplexe Formen sind interessanter aber langsamer wahrzunehmen. Rechts: Einfachheit bringt Ruhe und Übersichtlichkeit und ist schnell wahrzunehmen. ©Ralf Wasselowski

 

Wie sich Designgesetze, -prinzipien und -regeln voneinander unterscheiden

  • Gesetze: Gestaltungsgesetze beziehen sich direkt auf unsere Wahrnehmung. Sie sind in der Regel wahrnehmungspsychologisch erforscht. Designer lernen die Gestaltungsgesetze und vergessen sie wieder. Dennoch sickern diese ins Unterbewusstsein ein und prägen die intuitive Gestaltung.
  • Prinzipien: Gestaltungsprinzipien spiegeln eine allgemeine Auffassung wider. Während Auffassungen sehr unterschiedlich sein können, sind Gesetze immer gleich. Gestaltungsprinzipien sind abstrakt, das heißt, sie sind dem Alltag etwas entrückt und lenken unsere Aufmerksamkeit auf das große Ganze.
  • Regeln: Zuletzt gibt es die Gestaltungsregeln, die die Gestaltung im Kleinen und Konkreten lenken, etwa in der Typografie. In der Buchgestaltung oder dem Editorial-Design lautet beispielsweise eine klassische Regel, maximal zwei verschiedene Schriftarten in einer Drucksache miteinander zu kombinieren – damit kein Schriftenchaos entsteht.

 

Die kreativen Zwillinge: Korrespondenz von Inhalt und Form

Jede Drucksache besteht aus einem Inhalt und einer Form. Selbst bei Bildern kann man so unterscheiden: was ist darauf zu sehen und was sagt es aus? Man merkt jedoch schon hier, dass die strenge Teilung zwischen Form und Inhalt schwierig ist. Denn die Art und Weise, wie etwas fotografiert wird, verändert die Aussage des Bildes. Wird ein Waldmotiv weich gezeichnet, kann es märchenhafter wirken. Wird dasselbe Motiv kontrastreich fotografiert, wirkt es hart-realistisch. Form und Inhalt existieren auch im Design nicht getrennt voneinander, sondern gehen eine Wechselwirkung ein.

 

Schönheit als Hingucker

Jeder, der verkaufen will, muss seine Kundschaft fesseln. Im Autosalon sind Trümpfe für die Verweildauer der potenziellen Käufer die Formschönheit des Automobils genauso wie seine Features und sein Image. Beim Medien-Design ist das nicht viel anders. Jede Doppelseite einer Drucksache bietet nach Möglichkeit eine Gestaltung, die eine interessante Geschichte visuell ansprechend verpackt. Jedoch ist die Vielfalt der Inhalte und Zwecke und damit auch möglicher Ausdrucksformen schwer einzugrenzen. Beispielsweise kann ein Theater-Konzertprogramm auf klassische Seitenaufteilungen setzen, die die Schönheit der Entwürfe betonen. Ein Flyer für ein Punkkonzert oder ein Heavy-Metal-Konzert setzt dem gegenüber nicht auf Schönheit sondern auf Destruktion und anarchisch-provokative Hässlichkeit. Es kann aber auch sein, dass eine Theateraufführung Punk zelebriert. Dem entsprechend wäre der Flyer dafür auch nicht klassisch schön sondern ebenfalls punkig-provokativ zu gestalten – der Zweck heiligt hier die Mittel. Schönheit entspricht den Sehgewohnheiten. Oft wird visuell aber der Bruch mit diesen gesucht, um größtmögliche Aufmerksamkeit zu erreichen.

Kreative betonen, dass es für gutes Design keine Regeln geben kann. Denn das Design müsse schneller sein als die Sehgewohnheiten und ständig Neues bieten. Für die Werbegrafik mag das vor allem bezüglich der Bildsprache richtig sein. Bei umfangreichen Drucksachen ist anderes gefragt:

  • Harmonie und ein ruhiges Schriftbild, die schnelles Lesen ermöglichen (Buch),
  • Übersichtlichkeit und gute Orientierung (Katalog, Geschäftsbericht),
  • Bereiche, die das Auge herausfordern und ihm andererseits Ruhepausen schenken (Zeitschrift, Broschüre)

 

Gestaltungsprinzipien

Was gestaltet wird, ist durch die Möglichkeiten der Wahrnehmung beschränkt. Die dafür zwei wichtigsten Prinzipien sind:

  • Form follows function

Die Form folgt dem Inhalt: Aber sie interagieren auch miteinander. Die Vermittlung des Inhaltes durch Visualisierung ist das Ziel. Im besten Fall kooperiert der Designer mit dem Texter, sodass ein Inhalt besser mit dem Design korrespondiert.

  • Prägnanz durch Reduktion

Die Einfachheit des Weniger ist mehr. Wir leben in einer Gesellschaft der Informationsüberflutung. Reduktion trennt visuell Wichtiges von Unwichtigem und schafft so Prioritäten für die schnelle Orientierung.

 

Erkenntnisse der Wahrnehmungs-Psychologie

Anfang des letzten Jahrhunderts entstand in Deutschland die Gestaltpsychologie und entwickelte die Gestaltgesetze. Darin wird beschrieben, nach welchen Gesetzmäßigkeiten sich visuelle Einzelteile zusammenfügen. Seinen Anfang nahmen diese Überlegungen 1890 in der Arbeit „Über Gestaltqualitäten“ von Christian von Ehrenfels. Interessanterweise wird darin nicht visuelle Gestaltung behandelt sondern auditive: Es ging um Musik-Melodien, die erkennbar blieben, auch wenn man die Töne in eine andere Tonart überführt hatte. Der Autor folgerte daraus, dass es eine Gesamtgestalt der Melodie gäbe. Die wird auch wahrgenommen, wenn die Qualität der Töne verändert wird. Nicht also die Einzelelemente sind entscheidet sondern die Strukturgesetze, die dem zugrunde liegen. Prägnanter ausgedrückt: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Es geht nicht nur darum, was tatsächlich visuell vorhanden ist, sondern darum, was Wahrnehmung und Gehirn daraus machen.

designprinzipien_seitenlayout ©Ralf Wasselowski
Schematisches Seitenlayout einer Broschürendoppelseite mit Bildern, breiten Textspalten und schmalen Spalten für die Bilderläuterungen. Die Bilder wurden nicht wahllos über die Seite verteilt, sondern mit engen Abständen zueinander zu einem Block als zentralem Hingucker zusammengefasst. Die Bildunterschriften haben ebenfalls einen geringen Abstand zum jeweiligen Bild und einen größeren Abstand zu den breiten Haupttextspalten. So ist ihre Zugehörigkeit eindeutig zu erkennen. Zur Anwendung kommt hier das Gesetz der Nähe. ©Ralf Wasselowski

Die Gestatlungsgesetze nach Max Wertheimer

Inzwischen gibt es etwa einhundert Gestaltgesetze. Wertheimer hatte bereits 1910 eine erste Arbeit vorgelegt, die die Wahrnehmung des Menschen systematisierte. Klassische Gestaltgesetze sind:

  • Gesetz der Nähe: Zusammengehörig erscheinen Elemente, wenn sie geringe Abstände zueinander haben. Durch Abstände werden im Medien-Design visuelle Einheiten gebildet, die das Auge führen.
  • Gesetz der Ähnlichkeit: Zusammengehörig erscheinen Elemente, wenn sie beispielsweise in Form, Farbe oder Struktur einander ähnlich sind.
  • Gesetz der Prägnanz: Einfache, einmalige Formen werden in einer Gruppe gleichartiger Formen prioritär wahrgenommen. Originalität und Alleinstellung sind auch im Grafik-Design alles.
  • Gesetz der Geschlossenheit: Umschlossene Strukturen werden prioritär wahrgenommen. Wir nehmen schneller Einfachheit und strukturierte Ordnung wahr als Komplexität und Zufälligkeit. Dafür müssen Formen nicht vollständig sein. Ein Quadrat wird beispielsweise bereits erkannt, wenn nur seine vier Eckpunkte vorhanden sind. Das Auge tendiert dazu, geschlossene Formen assoziativ zu ergänzen. Dieser Effekt wird im Logo-Design für visuelle Spannung genutzt.

Stephen Palmer formulierte in den 1990er Jahren ergänzend weitere Gestaltgesetze, unter anderem:

  • Gesetz der gemeinsamen Region: Einzelelemente innerhalb abgegrenzter Gebiete werden als zusammengehörig empfunden. Das ist wichtig für die Zeitschriftengestaltung, die mit Infokästen arbeitet, die viele Einzelelemente beinhalten. Hierbei ist auch das Gesetz der Nähe wichtig.
  • Gesetz der verbundenen Elemente: Verbundene Elemente werden als ein Objekt empfunden. Auch dieses Gesetz ist bei der Zeichen- und Logoentwicklung entscheidend.

 

FAZIT:

Die Gestaltgesetze sind Gruppierungsgesetze. Sie behandeln Abstände und legen fest, wie sich visuelle Einheiten im Großen und Kleinen bilden. Das beginnt in der Praxis beim richtigen Zeilenabstand und endet bei den visuellen Sinneinheiten, die den Blick des Lesers auf einer Broschürendoppelseite führen.

 

Ralf Wasselowski
Unser Autor Ralf Wasselowski, er betreibt die Agentur Conceptbüro in Essen, informiert im zweiwöchigen Rhythmus über Designrichtlinien. ©Ralf Wasselowski