„Was der Fürst geigt, muss der Untertan tanzen“, lautet ein altes deutsches Sprichwort. Gleiches gilt für das Editorial Design: Je nach Genre und Zielgruppe fällt es anders aus und unterliegt anderen Regeln. Doch worin liegen die Unterschiede, was sind die Gemeinsamkeiten?
Wenn es um die redaktionelle Gestaltung einer Publikation geht, ist klar: Der Designer arbeitet in erster Linie für die Leser. Diese muss er erreichen, diese gilt es anzusprechen. Doch das alleine ist nicht das Ziel des Editorial Designs. Vielmehr ist neben der reinen Unterhaltung und möglichst effekthascherischen Ansprache ein wichtiger Faktor mit zu berücksichtigen: Das Buch, die Zeitschrift oder der Flyer müssen gut und schnell zu lesen sein. Jedes Druckwerk folgt im Design dabei seinen eigenen Regeln. Deshalb ist Editorial Design nicht immer gleich. Insbesondere im Print-Bereich können die Druckwerke sehr unterschiedlich gestaltet sein.
Die Ruhe der Buchgestaltung
Ein Buch entwickelt sich über einen langen Zeitraum hinweg. Es beinhaltet lange Kapitel, die ebenso viel Zeit zum Lesen benötigen. Bücher entstehen zwar unter denselben strengen Richtlinien wie Zeitschriften, doch sind die Leseansprüche an sie andere. Aus diesem Grund ist es zwar auch für ein Buch wichtig, seine Inhalte klar und übersichtlich zu kommunizieren, aber seine Inhalte brauchen weniger Weißraum. Ja, dieser ist sogar schädlich für den Lesefluss. Bücher müssen wie Zeitschriften vorgegebene Rasterlayouts akribisch einhalten und visuelle Hierarchien stringent umsetzen. Diese Hierarchien aber unterbrechen den ansonsten langen Text eher selten. Die Gestaltung eines Buches ist – außer man setzt eine ganze Buchreihe um – eher von einmaliger Natur. Deshalb kann der Layouter jedes Buch neu gestalten, ihm dem Inhalt entsprechend eine gut lesbare Form geben. Bücher benötigen eher selten Spalten, setzen nur wenige Bilder ein und ihr Text muss so gesetzt werden, dass er sich flüssig seitenweise herunterlesen lässt.
Wiedererkennungsfaktor Zeitungen, Periodika und Co.
Ganz anders ist dies bei regelmäßig erscheinenden Printpublikationen wie Zeitungen, Magazinen und anderen Periodika, die im Verkauf am Kiosk wiedererkannt und gut abgesetzt werden müssen. Sie sollen unterhalten und zugleich einfach zu konsumieren sein. Und das immer und immer wieder – Monat für Monat, Woche für Woche. Ein einmal festgelegtes Rahmenbild einer Zeitschrift wird deshalb nicht mehr so schnell umgeworfen und entsprechend sorgfältig geplant. Eine Zeitschrift muss ein einmaliges „Gesicht“ haben, wozu nicht nur ein wiedererkennbares Cover gehört, sondern auch die Überschriften, die Aufteilung von Bild und Text sowie die Rasteranordnung. Spaltenbreiten, Fontgrößen, Zwischen- und Hauptüberschriften werden so – einmal anfangs festgelegt – immer wieder mit neuem Leben gefüllt. Zeitungsdesign ist deshalb nicht nur künstlerisch eine Herausforderung, sondern auch handwerklich. Denn Text- und Bildinhalte können sich pro Ausgabe ändern, für die Größe der Schrift oder der Platzierung der Bildunterschriften ist das eher unwahrscheinlich.
Flyer und Broschüren: Fastfood
Eine klare Kommunikation ist auch für Flyer und Broschüren wichtig. Sie sollen allerdings vorrangig Aufmerksamkeit auf sich ziehen und erst im zweiten Schritt Inhalte transportieren. Es sind schnelllebige Werbemittel, die ebenso schnell gelesen wie weggeschmissen sind. Als Folge daraus können sie sich gestalterisch stark unterscheiden. Gestalter setzen hier alle Mittel des Editorial Designs ein und varriieren diese nach Belieben in einer immer neuen Zusammenstellung: Format und Satzspiegel können ebenso unterschiedlich ausfallen wie Fonts und der Weißraum. Lassen sich Lifestyle-Inhalte eher mit einem modernen Design und viel Platz zwischen Bild und Text sowie viel Bildmaterial umsetzen, wird die junge Zielgruppe vielleicht eher über die Auswahl, Größe und Platzierung der richtigen Grafiken sowie der passenden Farbgebung angesprochen.
Online: Vom zweidimensionalen zum Mehrschicht-Kanal
Neben Print wird auch das Layout einer Webseite zum Editorial Design gerechnet, denn sie enthält wie ein Buch Text und Bild in einer festen Zusammenstellung. Doch während Print-Design zweidimensional ist, sich anfassen und umblättern lässt, kann eine Webseite von einer eindimensionalen Scrollseite bis zur interaktiven Klickerfahrung mit x Dimensionen alles umfassen. Sie ist eine mehrschichtige Erfahrung, deren sich der Gestalter bewusst sein muss. Eine 1:1-Umsetzung eines Print-Layouts in ein Webmodell ist deshalb nicht zu raten. Oder wie es Usability-Guru Jakob Nielsen so treffend formulierte: „Anything that is a great print design is likely to be a lousy web design.“ – „Alles, was ein großartiges Print Design ist, ist wahrscheinlich ein schlechtes Webdesign.“
Wie sich on- und offline-Medien in puncto Gestaltung außerdem unterscheiden und wie sie für ein ansprechendes Layout gut gestaltet werden können, erfahren Sie in der kommenden Folge dieser Serie.
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