Das sogenannte Long-Shadow-Design ist eine Variante des Flat Design. Die langen Schlagschatten haben bei Überschriften-Typografie und in der Illustration an Wichtigkeit gewonnen. Man findet sie aktuell in den meisten Flat-Design-Entwürfen. Warum ist das so und welche Vorteile bietet die überbetonten Schattenwürfe?
Tuning des Medien-Designs
Um ein Zeichen oder eine Illustration bei aller Vereinfachung interessant erscheinen lassen, gibt es eine begrenzte Anzahl an grafischen Mitteln. Ein Teil dieser Mittel erzeugt Plastizität und Räumlichkeit durch Schattierungen oder Schatten. Schlagschatten, wie sie im Long-Shadow-Design eingesetzt werden, findet man inzwischen allerorten. Lange Schatten bei Schriften oder Illustrationen weichen von der reinen Flächigkeit der Darstellung ab, machen sie interessanter und dramatisieren sie. Das Long-Shadow-Design überbetont eine Nebensächlichkeit und schafft damit neue Seherlebnisse.
Die neue Einfachheit im Flat Design
Das Flat Design ist angetreten, um fotorealistischen Darstellungen bezogen auf Oberflächen, Verläufe oder Schattierungen eine neue Einfachheit entgegen zu setzen. Beim Flat Design werden – wenn überhaupt – selbst Spiegelungen stilisiert. Das heißt, sie haben harte Kanten und laufen nicht weich aus wie beim Skeuomorphismus, der die reale Welt mit sanften Übergängen nachahmt. Viele Elemente realistischer Darstellungen simulierten möglichst wirklichkeitsgetreu die Effekte, die eine natürliche Lichtquelle erzeugen würde. Ihre Mittel sind zarte Verläufe, Spiegelungen, Schattierungen oder sogar Lichtreflexe. Diese Möglichkeiten wirken aber schnell kitschig oder überladen eine grafische Darstellung mit zu viel Information. Im Long-Shadow-Design werden Schatten oft flächig einfarbig dargestellt, es gibt aber auch viele Varianten, die mit kaum merklichen monochromen Verläufen arbeiten.
Schlagschatten im Long-Shadow-Design
Schatten erzeugen die Illusion einer grundlegenden Räumlichkeit. Sie sind dunkel und monochrom und lassen sich deshalb gut mit hellen oder bunten Farben kontrastieren. Dabei wirken Körperschatten, die sich am bzw. auf dem Objekt selbst befinden, und Schlagschatten zusammen. Der Schlagschatten wird im Long-Shadow-Design in seiner Dimensionierung überbetont. Vom Objekt ausgehend verläuft er in der Regel bis zur Formataußenkante und ist damit fast so dominant wie das Objekt selbst. In seiner Tönung wird er im Flat Design entweder zurückhaltend oder bewusst herausstechend eingesetzt. Oft sieht man auch Schattenvarianten, die mit einem hellen Verlauf, der sich auf die Hintergrundfarbe bezieht, korrespondierenden. Manchmal wird der Schatten als bunte Volltonfarbe realisiert, z.B. bei Schriftzügen.
Long-Shadow-Klarheit
Während also Verläufe farblich eher zurückhaltend eingesetzt werden, bietet die Long-Shadow-Variante des Flat Design im Entwurf große dunkle bzw. abgedunkelte Flächen. Davon kann sich die Buntheit der Farben absetzen. Ein Beispiel ist das Mottobild dieser Artikelserie.
Das Dilemma des Flat Design
Visuell steckt das Flat Design grundlegend in einem Dilemma. Es will zwar erklärtermaßen zweidimensional flächig wirken. Wird dies jedoch überbetont und zu oft wiederholt, läuft sich die zu sachliche Darstellungsform aber schnell tot. Das haben die Medien-Designer erkannt und ihren Flat-Entwürfen weitere Effekte hinzugefügt – die allerdings dezent eingesetzt werden, damit das Flat Design einigermaßen “flat” bleibt. Dazu gehören in erster Linie zarte, harmonische Farbverläufe in geometrischen Flächen. Visuelle Dramatik und Originalität liegen dann vor allem in der Art der Vereinfachung. Eine stark stilisierte Grafik in all ihrer Reduziertheit kann so zum Beispiel dennoch eindeutig ein bekanntes Gesicht nachbilden. Diese Vereinfachung ist in ihrer extremen Stilisierung kunstvoll und sorgt für Aufmerksamkeit.
Long-Shadow-Design für mehr Räumlichkeit
Das Flat Design kultiviert also die Begrenztheit seiner Mittel, andererseits schränkt es sich damit ein. So sind Verläufe und Schatten Erweiterungsmodule einer unter Umständen zu langweilig-flachen Darstellung geworden. Werden die Körperschatten, die Plastizität erzeugen, mit Schlagschatten kombiniert, ergibt sich eine erstaunliche Räumlichkeit. Und das trotz fehlenden Realismus‘. Dabei ist die Überbetonung der „Long Shadows“ geradezu aberwitzig augenzwinkernd. Genau betrachtet ist das Long-Shadow-Design eine Überdramatisierung. Ist die grafische Gesamtkomposition gelungen, stellt sich mithilfe der langen Schatten ein Aha-Effekt ein, der Aufmerksamkeit bringt.
FAZIT
Ist das Flat Design in seiner reinsten Form sachlich und sogar spröde, fügt das Long-Shadow-Design dem Entwurf Witz, visuelle Finesse und eine augenfällige Dramatisierung hinzu. Das Long-Shadow-Design bettet die Vereinfachung der visuellen Form in ein schattiertes grafisches Umfeld ein. Dieses basiert auf gelernten Sehgewohnheiten, für die Schattenwürfe und Schattenwirkungen wichtig sind. Denn sie dienen der räumlichen Einordnung und machen aus dem illustrativen Grafik-Design einen Eyecatcher, der ins Auge fällt.
SERVICE
Wo findet man Long-Shadow-Generatoren, -Online-Tools, -Beispiele und -Tutorials? Wir haben für unsere Leser ein paar Webadressen zusammengestellt:
- Long-Shadow-Generatoren: Eine Übersicht an Long-Shadow-Generatoren ist hier zu finden.
- Online-Long-Shadow-Generator: Hier lassen sich online bereits fertige Icons mit Schatten und Farben versehen und downloaden. Und hier die Version eines vereinfachten Long-Shadow-Generators.
- Long-Shadow als Photoshop-Aktion: Hier zum Download
- Long-Shadow-Design mit Photoshop: Long-Shadow-Design mit Adobe Photoshop erstellen, ein Tutorial.
- Long-Shadow-Design mit Illustrator: Long-Shadow-Design mit Adobe Illustrator über das Angleichen-Werkzeug. Ein ausführliches schriftliches Tutorial findet sich hier, ein Tutorial mit zahlreichen Beispielen hier und ein Video-Tutorial
In dieser Serie ist bisher erschienen:
Reduce to the Flat: Wie relevant ist Flat Design?
Flat Design: Illustrieren in der 2. Dimension