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Die Geschichte der Schrift.

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viaprinto-Wissen: Typografie

Die Geschichte der Schrift.

Vor rund 5.000 Jahren begann sich unsere Schrift zu entwickeln. Wie wurden aus bildlichen Darstellungen abstrakte Buchstaben? Bürokratie und Handel spielten die Hauptrolle.

Die Geschichte unserer Schrift beginnt mit banaler Buchhaltung. Zumindest, wenn man von den Höhlenmalereien absieht, die Menschen schon vor 50.000 Jahren geschaffen haben. Im heutigen Irak, einst bekannt als das Zweistromland Mesopotamien, legten die Sumerer vor rund 5.000 Jahren den Grundstein für unsere Schrift. Sie lebten inmitten einer florierenden Tempelwirtschaft – und wo Städte und Handel wachsen, braucht es auch Verträge, die festgehalten werden können. Es muss gezählt und verwaltet werden. Die Sumerer benutzten dazu Lehm. Sie drückten ihn mit den Händen zu flachen Tafeln und ritzten mit Holzstäbchen kleine Zeichen hinein. Der Lehm wurde in der Sonne getrocknet, die Zeichen für die Ewigkeit archiviert. So weit, so gut.

Allerdings entstand das Wunderwerk Schrift nicht an einem einzigen Ort zu einer bestimmten Zeit. Es entwickelte sich über viele Jahrtausende hinweg – parallel an mehreren Orten der Welt, in verschiedenen Hochkulturen. Die Chinesen ritzten Zeichen auf Rinderknochen, die amerikanischen Azteken malten bildhafte Hieroglyphen. Doch es sind die Sumerer, denen die ersten Ansätze für unsere abstrakte Schrift zugeschrieben werden.

Vom Bild zur Silbe – die Keilschrift

Zunächst nutzten sie noch wie andere Kulturen eine Bildsprache, die in Piktogrammen funktionierte. So wurde etwa das Wort „Fürstin“ durch die Zeichnungen für „Frau“ und „Schmuck“ dargestellt. Es gab rund 900 solcher Bildzeichen. Die Besonderheit war, dass die Sumerer immer weiter vom Abbilden von Gegenständen abrückten und zu abstrakteren Formen übergingen. Ein Grund war die florierende Tempelbürokratie mit dem enormen Schreibbedarf – es musste schneller gehen.

Die gezeichneten Bilder wurden durch Kombinationen keilförmiger Abdrücke ersetzt. Man fertigte dafür spezielle Griffel in Dreiecksform. Das Stempeln ging leichter als geschwungene Linien in den Ton zu zeichnen. Die sogenannte Keilschrift war entstanden. Im Laufe der Zeit wurde daraus eine Silbenschrift mit immer weniger Zeichen. Denn ähnlich klingende Wörter wurden durch dasselbe Symbol wiedergegeben. Ein Zeichen drückte nun einen Laut aus. Eine kleine Revolution.

Hieroglyphen sind zu aufwändig

cc ©Egypt_Hieroglyphe2_A☮ineko
Ägyptische Hieroglyphen in Stein gemeißelt. Tiere und menschliche Formzeichen blicken in Richtung Textanfang. cc ©Egypt_Hieroglyphe2_A☮ineko

Diese sumerische Art zu Schreiben erwies sich als flexibler und praktischer, als alle anderen bekannten Schriftsysteme, etwa die Hieroglyphen, die zeitgleich im Niltal existierten. Die ägyptischen Hieroglyphen, „heilige Einkerbungen“, waren umständlich und zeitraubend herzustellen. Kein Wunder, sie hatten vorwiegend eine religiöse Bedeutung. Zusammen mit den sumerischen Keilschrifttexten gelten ägyptische Hieroglyphen aber als älteste belegte Schriftdokumente der Menschheit.

Seefahrende Phönizier erfinden das Alphabet

Das erste Alphabet aus Lautzeichen entwickelten wiederum die Phönizier, ein Seefahrervolk aus dem Gebiet des heutigen Libanons und Syriens. Eine funktionelle Schrift war wichtig für ihren Handel, zum Beispiel um zu verzeichnen, welche Waren die Schiffe geladen hatten. Im Jahr 1200 v. Chr. verwendeten die Phönizier ein Schriftsystem, in dem alle Konsonanten durch 22 Zeichen wiedergegeben wurden. Auf ihren Reisen entlang der Mittelmeerküste verbreitete sich ihr System überall und löste langsam die Keilschrift ab. Es ist die Grundlage für das heutige lateinische, griechische, hebräische und arabische Alphabet.

Die Griechen fügen Vokale hinzu

cc ©Gortys_law_inscription_Wikipedia_Agon S. Buchholz
Eine Gesetzestafel mit Buchstaben des frühgriechischen Alphabets. cc ©Gortys_law_inscription_Wikipedia_Agon S. Buchholz

Die Griechen, ein wichtiger Handelspartner, übernahmen die phönizische Schrift etwa 800 v. Chr. und ergänzten sie um die fehlenden Vokale. Dazu wandelten sie jene Buchstaben um, die im Griechischen nicht benötigt wurden. Der phönizische Buchstabe Aleph, der sich von der stilisierten Darstellung eines Stierkopfes (alef = Rind) herleitet, wurde von den Griechen einfach umgedreht. Heute ist das unser A. So wurden die noch erkennbaren bildlichen Ursprünge aus den Buchstaben getilgt. Sie waren nun vollends abstrakt.

Die Römer verdrängen Runen-Orakel

Als die Römer ab 500 v. Chr. den Mittelmeerraum eroberten, übernahmen sie auch das griechische Alphabet und passten es ihren Bedürfnissen an. Zusammen mit der etruskischen Schrift bildete es die Grundlage für das lateinische Alphabet, das wir noch heute verwenden. Durch die Ausdehnung des römischen Imperiums setzte sich das lateinische Alphabet in ganz Europa durch. Es verdrängte letztlich auch die in Nordeuropa seit dem 2. Jahrhundert verbreiteten Runen. Unsere Bezeichnung „Buchstabe“ geht übrigens zurück auf die Stäbe aus Buchenholz, in welche die Germanen ihre Runen ritzten. Die Buchenstäbe wurden für kultische Handlungen wie Orakel benutzt, Runen gab es aber auch für profane Handelsmitteilungen.

Druckerpressen sind der Anfang der Typografie

Nach dem Zusammenbruch des weströmischen Reichs wurde das Wissen um die Schrift nur in den Klöstern bewahrt. Rund 1.000 Jahre lang war das Schreiben ein Privileg für Geistliche und Adelige. Im Jahr 1455 revolutionierte Johannes Gutenberg mit der Erfindung des Buchdrucks das geschriebene Wort. Bücher waren nun für große Kreise der Bevölkerung erschwinglich. Seine Idee, Schrift aus gegossenen, beweglichen Lettern zusammenzusetzen, war der Anfang der Typografie.

 

Charlotte Erdmann
Unsere Autorin Charlotte Erdmann, Geschäftsführende Gesellschafterin bei Solokarpfen Publishing UG. ©viaprinto (Bild: Matthias Martin)